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Coco

Ein Transgendermusical


Musik und Songtexte von Markus Schönholzer
Text von Alexander Seibt 
nach einer Idee von Cihan Inan

 

 

Inszenierung


Uraufführung: 20. April 2018
Vidmar 1, Liebenfeld bei Bern, Schweiz

  • Musikalische Leitung: Hans Ueli Schlaepfer
  • Regie: Stefan Huber
  • Choreographie: Timo Radünz
  • Bühne: José Luna
  • Kostüme: Heike Seidler
  • Lichtgestaltung: Rolf Lehmann
  • Sounddesign: Marcel Schneider
  • Video: Michael Ryffel

 

Besetzung:  

  • Coco: Mariananda Schempp
  • Der Körper: Gabriel Schneider
  • Rick / Pesche / Chirurg: Luka Dimic
  • Papa / Ivan / Chirurg: Jonahan Loosli
  • Mama / Patricia / Chirurgin: Grazia Pergoletti
  • Gilette / Ärztin: Christoph Marti

 

 

 

 

Premierenchronik

CH UA 20. April 2018 Vidmar 1, Liebefeld bei Bern

 

Anmerkung: "Coco" war eine Poduktion der Bühne Bern.

 

 

Inhaltsangabe

 

"Coco war die berühmteste Transfrau der Schweiz der 1990er-Jahre, verletzlich, getrieben, charismatisch. In Bern war sie ein Star: Eine Frau im Körper eines Mannes, die leidenschaftlich und furchtlos gegen alles anrennt, was zwischen ihr und jenem Tag steht, an dem sie endlich sagen kann: «Jetzt bin ich: Ich.» Ihre grössten Widersacher scheinen dabei weder ihre Eltern noch ihr überfordertes Umfeld zu sein, es ist ihr eigener Körper. Obwohl sie sich mit zwanzig einer geschlechtsangleichenden Operation unterzieht, bleibt ihr Leben eine verzweifelte Suche nach sich selbst – und ohne Happy End.

Ohne Anspruch auf historische Genauigkeit zu erheben, ist COCO die Hommage an eine Frau, die ihren anspruchsvollen Weg mit Entschlossenheit und Würde gegangen ist. Aber tatsächlich geht es in dieser Geschichte um uns alle – um die Notwendigkeit, sich die alles entscheidende Frage zu stellen: «Wer bin ich?» Und es geht um den Mut, den wir dafür aufbringen müssen. Aber vor allem geht es um den Preis, den wir für die Antwort zahlen."

Homepage Konzert Theater Bern [https://www.konzerttheaterbern.ch/programm/coco/10312/], aufgerufen am 4. Oktober 2022.

 

 

 

 

Kritiken

 
"Das neue Musical kreiert eine Fiktion über eine Frau, die im Körper eines Mannes lebt und dadurch gezwungen ist, sich selbst zu hinterfragen: 'Wer bin ich?' Dieser Zwiespalt wird durch die Gestaltung der Figur klar gezeigt, die mit zwei überzeugenden Darstellern besetzt ist: Mariananda Schempp als divenhafte, verletzliche, innerlich zerrissene Coco und Gabriel Schneider als trotteliger, androgyner Körper. Wobei der Körper Coco stumm begleitet, oft ratlos  ihre Attacken erträgt, aber von den Mitmenschen real wahrgenommen wird. Coco empfindet diesen Körper als ein Gefängnis, zu welchem der Schlüssel weggeworfen wurde. Zugleich überfordet sie im Verlauf des Musicals die ihr nahestehenden Menschen mit der Botschaft: 'Ich bin eine Frau.'

[...] Die vielfältigen Emotionen der Figuren werden durch die stimmungsvollen Kompositionen von Markus Schönholzer perfekt unterstrichen und von der großartigen Band unter der Leitung von Hans Ueli Schlaepfer (Keyboards) präsentiert. [...] Wenige Requisiten verwandeln die Bühne in einen Club, Operationssaal oder eine Wohnung (Bühnenbild: José Luna). In dieser Wohnungt träumt die junge Frau von drei Chirurgen mit übergroßer Schere, Beil und Motorsäge in den Händen, die in grotesken Gesangs- und Tanzszenen (Choreographie: Timo Radünz) von ihrer lasziven, zynischen Chefin (Christoph Marti) wie Hunde zurückgepfiffen werden."

Martina Friedrich: Wer bin ich? Uraufführung von 'Coco' - ein Transgendermusical am Konzert Theater Bern. In: blickpunkt musical, Ausgabe 94, 03/2018 Mai - Juni 2018, Seite 64-65.

 

 

"Das Buch weist vor allem gegen Ende einige Längen auf und das Stück wird immer mehr zum Schauspiel. Die Musik, toll interpretiert von der vierköpfigen Band, ist sehr gelungen, teils naiv kindlich und verletzlich, teils bluesig, teils schmissig mit viel Tempo. Ihr bleibt aber fast ausnahmslos nur die Statistenrolle. Das, was ein Musical ausmacht, nämlich die perfekte Symbiose aus Geschichte und Musik, bleibt weitgehend unerreicht.

Was in Erinnerung bleibt, ist eine berührende Geschichte, die virtuose Inszenierung und die schauspielerischen Leistungen von Mariananda Schempp, Christoph Marti und Gabriel Schneider. Dazu Achtung und Empathie für Mitmenschen wie Coco, die wie wir alle das Recht haben, sie selbst zu sein und dafür respektiert zu werden."

Susanne Weber: Coco. Ein Leben auf der verzweifelten Suche nach sich selbst. In: musicals, Das Musicalmagazin, Heft 191, Juni/Juli 2018, Seite 16-17.

 

 

"An der karnevalesken Lustigkeit, mit der die Regie von Stefan Huber das Stück angeht, kann man sich anfänglich durchaus etwas stören. Dass beim Orgasmus auf offener Szene die Konfetti-Kanone volles Rohr ins Publikum ballert, na ja, ein Schenkelklopfer. Die Grundidee der Inszenierung aber überzeugt: Die Identitätsspaltung der Titelfigur wird auf der Bühne leibhaftig durch die ihre Verdoppelung: Der Körper (Gabriel Schneider) repräsentiert die äussere männliche Hülle als lästiges Gefängnis, Coco (Mariananda Schempp) gibt das innere, betont weibliche Wesen im Ringen um äussere Anerkennung. Im Kampf dieser gegensätzlichen Existenzen wechseln Scherz und Schmerz auf stimmige Weise.

[...] Auch wenn das alles ganz spassig klingt, die herberen Töne nehmen in der zweiten Hälfte des gut zweistündigen Abends zu – zum Glück. Die Musik, anfänglich doch recht nah am unverbindlichen Musical-Sound, wird deutlich kratzbürstiger, live gespielt von der vierköpfigen Band unter der Leitung von Hans Ueli Schlaepfer an den Keyboards.

Auch wenn das Stück Motive der realen Coco in die Handlung einbaut, ist es bewusst keine biografische Nachzeichnung. Am Ende werden dem Publikum zwei Schlüsse angeboten: zuerst die Champagner-Party nach geglückter Operation, Jubel, Trubel, Heiterkeit – wer sich das Ende so wünsche, soll danach bitte gehen; dann die Variante, die näher am realen Leben von Coco liegt, der Absturz ins trunkene Elend, in die Verzweiflung, die Verlassenheit, den Suizid. 1998 hat sich Coco, die erste Transfrau der Schweiz, mit 29 Jahren auf ihrer letzten Station in Biel umgebracht."

Alfred Schlienger: Wie selbstbestimmt sind wir, was wir sind – oder sein möchten? Das Transgendermusical 'Coco' in den Berner Vidmarhallen wippt verzweifelt spassig auf der Kippschaukel von Komik und Tragik. In: Neue Zürcher Zeitung, 22. April 2018.

 

 

 

Kommentar

 
Christoph Marti hat als Gilette in der Kategorie "Bester Darsteller in einer Nebenrolle" den Deutschen Musical Theater Preis 2018 gewonnen.

 

 

Empfohlene Zitierweise

 
"Coco". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 4. Oktober 2022.