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Zaubersprüche

Rock-Oper


Musik von Horst Krüger
Text von Waldtraut Lewin

 


Inszenierung


Uraufführung: 1. Juli 1983
Volkstheater Rostock, DDR
 

  • Musikalische Leitung: Horst Krüger
  • Regie: Peter Radestock
  • Ausstattung: Klaus Weber
  • Kostümdirektion: Lieselott Trautmann
  • Choreografische Mitarbeit: Manfred Schnelle


Besetzung:

  • Timm Spirit: Peter Prager
  • Pomona: Andrea Stache-Peters
  • Berthold: Manfred Gorr
  • Adina: Karin Mikityla
  • Tanzpaar: Karin Moldenhauer, Helfried Ebeling:
  • Es spielt die Studio-Band Horst Krüger

 

 

Premierenchronik

DDR UA 1. Juli 1983 Volkstheater, Rostock

 

 

Inhaltsangabe

 
"Wer ist Timm Spirit? Ein junger Mann, ein Greis, ein nicht faßbares Wesen, ein Mensch?

Der Student Berthold stellt diese Fragen nicht. Er ist mit seinen Problemen beschäftigt, denn sein Mädchen ist ihm weggelaufen - besser gesagt: weggetanzt - und die Folge davon war ein glatter Durchfall durchs Examen. Jetzt sucht er Vergessen und findet bei dem Schäfer Timm Spirit eine bunte Welt voller Rätsel, die er als Biologe (ohne Examen) nicht erklären kann, aber die er mit all seinen Sinnen verstehen, begreifen und lieben lernt.

Spirit weiß alles. Er ist der Herr seiner Natur, der Herr des Moores, der verwesenden Bäume und Pflanzen, der Frösche, Schlangen und Falter, der Schafe und der Biber. Er ist aber nicht nur Beherrscher, sondern er versteht sich als Hüter dieser natürlichen Unordnung. In seiner Welt gibt es keine Feinde, denn die Natur hält sich selbst am Leben. Ein Feind jedoch kämpft seit Jahrtausenden gegen die Verwilderung, Überwucherung und Verrottung des Landes: Pomona - die allesordnende Frau, das Gegenprinzip, der gesunde Ausgleich. Sie versucht mit logischer Klugheit das Land zu kultivieren, Obstplantagen anzulegen, saftiges Gras gedeihen zu lassen und die Sümpfe trocken zu legen. Ihr Eifer übersteigt aber die Möglichkeiten ihres Gebietes und ihr Streben geht allein auf die Vergrößerung des bebauten Bodens. Vergrößern kann sie allerdings nur in Richtung Moor und damit in Timm Spirits Gefilde. Der Grenzstreifen - ein fruchtbarer Talgrund - ist das jahrhundertalte Streitobjekt.

Der Student Berthold wird nun zum Zünglein an der Waage, denn nur durch seine tätige Hilfe kann die Natur in ihrer gewachsenen Form - oder als geordnete Zivilisation - vergrößert werden. Der Mensch Berthold muß entscheiden, ob die Biber im Talgrund ihre Wohnung behalten, oder ob Meliorationsrohre das Moor entwässern und zu blühenden Obstplantagen machen. Aber der junge Mann merkt nichts von dem Kampf, der um ihn herum tobt. Willig läßt er sich hin- und herschieben, wie es ihm die Gewohnheit gelehrt hat. Seine Entscheidungskraft ist verschüttet und es braucht bedeutsame Ereignisse, ihn seine Pflicht erkennen zu lassen.

Bedeutsam ist vorallem das Eintreffen einer jungen Frau. Forsch und selbstbewußt platzt Adina in die freundliche Zweisamkeit der Männer. Natürlich hat Pomona ihre Hand dabei im Spiel und prompt bringt Adina auch alle Pläne Spirits ins Wanken. Doch nicht nur er muß sich immer wieder auf neue Situationen einstellen, auch Pomona ändert laufend ihre Taktik, denn die Menschen beginnen ihre eigenen Wege zu gehen und ihre eigenen Gedanken in die Tat umzusetzen. Die beiden Naturwesen müssen alle ihre zauberischen Register ziehen, um ihren Einfluß nicht zu verlieren. Es kommt ihnen zugute, daß sie sich nicht nur äußerlich allen Gegebenheiten anpassen können, sondern den Gestus und die Terminologie eines jeden Zeitalters beherrschen. Trotzdem erreichen sie nur, daß die beiden jungen Menschen beginnen über das Leben und den Lebenszweck nachzudenken. Daß sie zu dem Ergebnis kommen: jeder muß sein Leben selbst bestimmen. Es gelingt Adina und Berthold am Schluß, sich von jeder Bevormundung und Manipulation zu lösen. Sie entscheiden sich aus Überzeugung und Neigung für die Biber und die Obstbäume, denn nur das Weiterbestehen beider Formen sichert die Harmonie der Natur.

Der wahre Feind der Natur ist aber ein Dritter, dessen gelber Nebel schon am Horizont zu sehen ist, gegen den Pomona, Spirit und die Menschen zusammenstehen müssen zur Erhaltung des Lebens."

(aus dem Programmheft zur Uraufführung)

 

 

Kritiken


"Schade wäre es nur, wenn vom jugendlichen Publikum das Erscheinen von Rockmusik auf dem Theater als allein selig machende Progressivität hingenommen und dieser Musik nicht kritisch begegnet würde. Allein Kritik an ihrer Vermittlungsform (eingespielte Tonbänder, Playback der Darsteller zu dem, was sie im Studio produziert haben) wäre mir zu wenig, obschon diese dem Originären von Theaterkunst abträglich genug erscheint. Bleiben wir bei der ´Zaubersprüchen´-Musik. Ihr gebricht es an einem durchgehend kräftigen schöpferischen Impuls, es fällt die geringe Ausdrucksspanne auf und die klangliche Gleichförmigkeit, die ja nicht durch rhythmische und Tempo-Kontraste zu kaschieren ist.

[...] Waldtraut Lewin hat eine Geschichte für vier Darsteller und einen unsichtbaren Chor geschrieben. Schön unbefangen und hemmungslos geradezu setzt sie uns einem poetisch vielfach reizvollen, theatralisch nicht in jedem Fall ergiebigen Verwirrspiel aus. Unaufhörlich durchdringen Reales und Phantastisches einander, triumphiert das Schimärische, mischen sich märchenhafte Element mit Situationen, die deutlich genug auf unser gegenwärtiges Leben verweisen.

[...] An der Inszenierung gefiel mir vornehmlich, mit welchem Engagement die Herausforderung angenommen wurde, die das Stück an das einzige Wirkung erzeugende Zusammenspiel von regielicher Phantasie, Ausstattung und Bühnentechnik stellt. Klaus Webers Bühnenbild vermeidet Naturales. [...] Radestock läßt die Darsteller, durchweg junge Schauspieler, körperlich-gestisch betont expressiv agieren. Dabei wird alsbald offensichtlich, daß das Stück den Männer-Rollen entschieden größeren geistigen und körperlichen Aktionsraum gewährt [..]."

Wolfgang Lange: Schimärisch. In: Theater der Zeit, Heft 9/1983, Seite 41.

 

 

Empfohlene Zitierweise

 
"Zaubersprüche". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 1. Februar 2020.