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Time Rocker

ohne Gattungsbezeichnung


Musik und Songtexte von Lou Reed
Szenisches Konzept von Robert Wilson
Text von Darryl Pinckney
Deutsche Übersetzung von Wolfgang Wiens

 

 

Inszenierung


Uraufführung: 12. Juni 1996 
Thalia Theater, Hamburg, Bundesrepublik Deutschland

  • Musikalische Einstudierung: Mike Rathke
  • Regie und Bühnenbild: Robert Wilson
  • Kostüme: Frida Parmeggiani
  • Licht: Heinrich Brunke / Robert Wilson
  • Tongestaltung: Stefan Wulff

 

Besetzung (ohne Rollenbezeichnung):  

  • Stephan Benson
  • Sona Cervena
  • Samuel Fintzi
  • Sandra Flubacher
  • Hannes Hellmann
  • Jörg Holm
  • Hans Kremer
  • Stefan Kurt
  • Annette Paulmann
  • Cornelia Schirmer
  • Nicki von Tempelhoff
  • Victoria Trauttmansdorff

 

 

 

Premierenchronik

D UA 12. Juni 1996 Thalia Theater, Hamburg

 

Anmerkung: "Time Rocker" war eine Produktion des Thalia Theaters mit dem Théâtre National de l'Odéon, Paris, und dem Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen

 

 

Inhaltsangabe


"Das Stück 'Time Rocker' hat eine Geschichte, man kann sie schnell erzählen und noch schneller vergessen. Irgendein geheimnisvoller Doktor (Hans Kremer) ist spurlos verschwunden, seine Domestiken Nick (Stefan Kurt) und Priscilla (Annette Paulmann), des Mordes an ihrem Herrn verdächtigt, machen sich auf den Weg, ihn zu suchen. Sie reisen vorwärts, rückwärts und kreuzweise durch die Welt und die Jahrhunderte und doch immer an den selbigen Ort: ins Robert-WilsonLand. Wo auch immer sie in den nächsten 150 Minuten hinkommen werden - Bob war schon da!"

Benjamin Henrichs: Uraufführung des Musicals "Time Rocker" von Robert Wilson. Ein Fisch namens Wilson im Hamburger Thalia Theater. In: Die Zeit, 26/1996, 21. Juni 1996.

 

 

 

 

Kritiken

 
"Oft ähneln aber Figuren, Handbewegungen und ganze szenische Ideen den Bildern aus 'Black Rider' und aus 'Alice' - Wilsons Theater gerät so in den Verdacht des Manirismus, des toten Wiederkäuens. Andererseits versteht man seine Metaphern um so besser, je öfter man sie sieht; im Grunde erzählen seine Bilder ja immer die gleichen Geschichten.

[...] Zu der Vier-Mann-Band aus zwei Gitarren, Baß und Percussion fällt einem spontan 'schön laut' ein. Lou Reeds Musik scheint weniger für das Musiktheater geeignet, sie wirkt abstrakter und kopflastiger als die traurigen Balladen von Tom Waits. Zwischen den lauten, punkigen Rock-Nummern und den psychodelisch jaulenden Gitarren-Riffs wabert eine mystische 'Twin Peaks'-Musik, die weit besser zur Thematik von der endlosen Reise in Zeit und Raum paßt - und vor allem besser zu Wilsons langsamem, stillem Bilder-Theater, das sich hier vielleicht etwas hektischer ins Symbolische verflüchtigt als sonst."

Angela Reinhardt: Art Musicals. Time Rocker in Hamburg. In: musicals, Das Musicalmagazin, Heft 61, Oktober/November 1996, Seite 14.

 

 

"Schon der Anfang ist ganz einfach schön. Schön ist der riesige schwarze Vorhang, der die Bühne verschließt - ganz links und ungeheuer oben steht, mit Kreide geschrieben, der Titel des Spektakels, in Robert Wilsons unverwechselbar graziösen Großbuchstaben: TIME ROCKER. [...] Schön, wie dann, als Ouvertüre, eine Elektrogitarre einzeln Ton für Ton spielt: als wolle sie einen Weg suchen, als müsse sie eine Melodie erst finden.

Schön dann auch die erste Szene, wenn der schwarze Vorhang sich gehoben hat. Da steht auf fast nachtschwarzer Bühne eine dunkle Gestalt mit Sonnenbrille, in ihrem Rücken eine zweite, noch dunklere Gestalt, blau schimmernd. In der Luft schwebt ein winziges, weißliches Fischskelett.

[...] Am reinsten und kindlichsten wird wohl derjenige Zuschauer begeistert sein, der nun beim 'Time Rocker' zum erstenmal in Robert Wilsons Zauberbude kommt. Der das Wort 'früher' noch nicht kennt. Wer ein rechtschaffenes Thalia-Theater-Leben hinter sich hat (von Maertens zu Gobert zu Flimm), der wird entweder entsetzt die Flucht ergreifen oder aber vollkommen verzückt auf die Bühne blicken.

Zuerst das Licht! Zwischen Nicht-Licht und weißer Licht-Wüste. Der Robert-Wilson-Himmel, der (zwischen Schwarz, Weiß und Grau, zwischen Meerblau und Rosenrot) mehr Farben zu haben scheint als der wirkliche Himmel selber, zumindest grandios mit ihm wetteifert. Diese lautlosen, geisterhaften Verwandlungen und Szenenwechsel! Diese Schauspieler, die endlich einmal nicht den Menschen darstellen und schwitzend imitieren müssen, sondern selber Raumfahrzeuge, mysteriöse Gleit- und Flugobjekte sind!"

Benjamin Henrichs: Uraufführung des Musicals "Time Rocker" von Robert Wilson. Ein Fisch namens Wilson im Hamburger Thalia Theater. In: Die Zeit, 26/1996, 21. Juni 1996.

 

 

"Seine Erfolge haben Serienqualität. Zweimal schon hat Robert Wilson, 54, weltweit anerkannter Erfinder der theatralischen Langsamkeit, dem Hamburger Thalia Theater einen berauschenden Musical-Hit beschert - den größten 1990 mit 'The Black Rider', einer düster-fetzigen Paraphrase der urdeutschen Freischütz-Sage. [...]Nun, am vergangenen Mittwoch, hatte 'Time Rocker', der Hamburger Trilogie letzter Teil, seine durch viel PR-Tamtam aufgeheizte Premiere.

Und die papierdünne Parabel vom Wissenschaftler Dr. Procopius, der unauffindbar durch die Sphären vagabundiert, erinnerte vor allem an ein ganz anderes Märchen, an Hans Christian Andersens Geschichte vom Kaiser und seinen neuen, unsichtbaren Kleidern. Denn trotz aller Ovationen und Zugaben stand das Produktionsteam am Ende ziemlich blank und bloß da: Die alte Magie hatte sich, ganz wie Procopius, fast spurlos verflüchtigt, der einst flirrende Zauber war dahin.

[...] Je nichtiger der Plot, so scheint es, desto geschwätziger die Figuren. Bob Wilson hat sich bei so viel aufgehäufter Spruchweisheit seines Autors denn auch nicht lumpen lassen und wieder sein ganzes Repertoire an schönen Bildern und aufwendigen Theatertricks zur Schau gestellt: alles im Schaufenster - nichts mehr im Laden.

Denn wo in seinen alten Arbeiten die Szenen-Collagen zwingend-zwanghaft wirkten und mit gefährlicher Dämonie lockten, wo seine Rätsel noch ein Geheimnis hatten, da ist beim 'Time Rocker' Beliebigkeit oberstes und einziges Bau-Prinzip. Es gelingen dem Regisseur, der wie immer auch sein eigener Bühnenbildner und Ober-Beleuchter ist, zwar immer noch einige Momente von magischer Kraft, beispielsweise die kühl-abstrakt arrangierte Fahrt im riesigen Fischgerippe, aber der Bilderbogen spannt sich nicht zu einem haltbaren Ganzen. Zu einem Auge hinein, zum anderen hinaus."

Joachim Kronsbein: Gott und der Briefkasten. Mit "Time Rocker", seinem dritten Hamburger Musical, landete der US-Regisseur Robert Wilson einen umjubelten Flop. In: Der Spiegel, 25/1996, 16. Juni 1996.

 

 

 

Medien / Publikationen

 

Literatur

  • Jan Linders: Nahaufnahme. Robert Wilson. Lecture. Alexander Verlag, Berlin, 2007

 

 

 

Empfohlene Zitierweise

 
"Time Rocker". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 1. Dezember 2022.