Spiegel, das Kätzchen
Musikalische Komödie
Musik von Paul Burkhard
Buch und Gesangstexte von Fridolin Tschudi
Nach der gleichnamigen Novelle von Gottfried Keller
Inszenierung
Uraufführung: 20. November 1956
Bayerisches Staatstheater, Theater am Gärtnerplatz, München, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Kurt Eichhorn
- Regie: Willy Duvoisin
- Bühnenbild: Max Bignens
- Choreografie: Jaroslav Berger
- Chor: Hanns Haas
- Kostüme: Spherl Schröck
Besetzung:
- Spiegel, ein junger Kater: Ferry Gruber
- Pineiss, Stadthexenmeister: Albrecht Peter
- Miesmies, eine junge Kätzin: Christine Görner
- Das schöne, reiche Fräulein: Lilian Benningsen
- Frau von Eule: Irmgard Barth
- Die Begine, eine Hexe: Franziska Wachmann
- Der Jüngling: Gebhard Streicher
- Feldleutnant: Harry Friedauer
- Kapuziner: Werner Dietrich
- Erster Kater: Marshall Rainer
- Zweiter Kater: Ekmar Veit
- Dritter Kater: Hans Koervers
- "Tanz der Katzen": Annaluise Schubert, John Schapar und die Tanzgruppe
- "Tanz der italienischen Komödianten": Annaluise Schubert (Colombine), Reinhold Weise (Harlekin) und die Tanzgruppe
Premierenchronik
D | UA | 20. November 1956 | Theater am Gärtnerplatz, München |
Inhaltsangabe
Die Geschichte spielt in Seldwyla, einer mittelalterlichen schweizerischen Kleinstadt. Spiegel, das Kätzchen, trauert. Seine Herrin ist verstorben. Niemand kümmert sich mehr um ihn. In seiner Not schließt er einen Pakt mit dem Stadthexenmeister Pineiss, der ihm Futter verschafft, dem er jedoch Haare seines Fells überlassen muss, und der ihm ankündigt, ihn in fünf Tagen zu töten.
Spiegel lernt die hübsche Miesmies kennen, so dass er bereut, den Parkt geschlossen zu haben. Gemeinsam hecken sie einen Plan aus, um Spiegel davon zu befreien und Pineiss zu bestrafen. Alles geht gut. Zum Schluß ist Spiegel frei und Pineiss heiratet die häßliche Begine. Ganz Seldwyla lacht ihn aus.
(Wolfgang Jansen)
Kritiken
"Von allen Librettisten und Komponisten, die je das Œuvre Gottfried Kellers nach musikdramatischen Stoffen durchmusterten, haben Fridolin Tschudi und Paul Burkhard bestimmt den 'musikabelsten' herausgegriffen. Das Märchen 'Spiegel, das Kätzchen', das inmitten der 'Leute von Seldwyla' steht, erschließt sich in doppeltem Sinne ganz zwanglos dem Einströmen von Musik: zur Herbeiführung der allgemeinen zauberischen Märchenatmosphäre und zur Hervorhebung der satirischen Elemente durch scherzhafte Gesangsformen, Instrumentalwitz und Parodien. Von allen diesen Möglichkeiten, die sie noch um viele Kunstmittel der Gattung 'Oper' vermehrten, haben unsere Autoren reichlich Gebrauch gemacht und dabei das ursprüngliche Gedankengut des Dichters mit einer Treue gewahrt, die bisweilen bis zur Selbstaufopferung ging.
[...] Das musikdramatische Endprodukt, das am 20. November im 'Theater am Gärtnerplatz' in München seine bejubelte Uraufführung erlebte, zeigte in gleicher Weise die charakteristischen Warenzeichen der berühmten 'Versfabrik' Tschudis wie die des nicht minder berühmten Klanglaboratoriums Burkhards. Tschudi hat den Aufstieg von kleinen Verskomplexen zu den Textgebilden großer Arien und Ensemble mit nachtwandlerischer Sicherheit wortgewandt und pointenreich durchgeführt, und Burkhard hat aus dem Gedanken, daß er diesmal nicht für 'singende Schauspieler', sondern für 'schauspielernde Sänger' schrieb, reizende Buffowendungen gewonnen, die in ihrem Stil an die besten Vorbilder des Genres gemahnen, wie etwa die Triumpharie des Pineiss oder das Lachduett von Spiegel und Eule.
RH: "Spiegle, das Kätzchen" als musikalische Komödie. Uraufführung in München. In: Neue Zürcher Zeitung, 23. November 1956, Nummer 3330, Seite 5.
"Es ist wahrlich keine schöne Aufgabe, das amüsant gewollte und sympathisch erdachte Werklein von zweien der populärsten Schweizer Autoren auf die Ursachen seines Mißlingens zu untersuchen. Aber man kann selbst mit der freundschaftlichsten Gesinnung und dem stärksten eidgenössischen Solidaritätsgefühl nicht verschweigen, daß die musikalische Komödie 'Spiegel, das Kätzchen' von Fridolin Tschudi und Paul Burkhard ein liebenswürdiger Mißerfolg ist.
Es ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Eine musikalische Komödie - in der Sprache unserer Zeit also ein 'Musical' - ist es nicht; denn es verwendet das gesprochene Wort nur wenig und dann meist melodramatisch untermalt; es enthält große opernhafte Arien, Duette, Chöre, Ensembles und Pantomimen. Eine komische Spieloper ist es trotzdem nicht, weil die Musik sich nicht über dünnes Operettenniveau erhebt, und eine Operette ist es dem ganzen Stoff nach nicht.
[...] Die bis ins kleinste malerische und szenische Detail durchdachte und ausgearbeitete Aufführung wurde im musikalischen Bereich von Kurt Eichhorn geleitet, der aber mit aller liebevollen Differenzierungen aus der Partitur nichts hervorzaubern konnte, was nun einmal nicht ist. 'Es fehlt in der Tat an nichts, und es ist dafür gesorgt, daß sich's der Kater in seinem Zaubergarten wohl sein lassen kann; denn schließlich, und damit zieht sich Pineiß diskret zurück, ist ja hier im wahrsten Sinne - alles für die Katz!'"
ohr.: Ales für die Katz. Zur Uraufführung von "Spiegel, das Kätzchen2 in München. In: Die Tat, 4. Dezember 1956, Seite 10.
"Fridolin Tschudi hat den ausnehmend hübschen Text in Versen geschrieben, die, voll Witz und Charme und aktuellen Anzüglichkeiten, der Romantik des Kellerschen Märchens dennoch angemessen sind. Den Zauber des Stoffes hat Paul Burkhard mit seiner musikalischen Erfindungskraft durchtränkt. Seine Sprache ist melodiös und strotzt von Einfällen, um die ihn die meisten modernen Opernkomponisten nur beneiden können. Der Titel 'Musikalische Komödie', den er dem Werk gegeben hat, trifft das Genre, wie Burkhard selbst bemerkt hat, nicht genau. Es ist eher in der Nähe der Komischen Oper angesiedelt, mit großen Arien, Duetten, Terzetten und Chören, stellenweise mit gesprochenem oder melodramatischem Text. Das Orchester schweigt kaum ja. Unaufhörlich quilt der Reichtum der Melodien, gemäßigt modern, immer reizvoll und oft außerordentlich witzig instrumentiert.
[...] Das Publikum schien zunächst vom Stoff etwas befremdet, spendete dann aber herzlichen Beifall."
Hans Lehmann: "Spiegel, das Kätzchen". Schweizer Uraufführung in München. In: Der Bund, 24. November 1956, band 107, Nummer 552, Seite 4.
Medien / Publikationen
Literatur
- Gottfried Keller: Spiegel, das Kätzchen. Stuttgart: Reclam 2006.
- Philipp Flury, Peter Kaufmann: O mein Papa..., Paul Burkhard, Leben und Werk. Zürich: Orell Füssli 1979.
Empfohlene Zitierweise
"Spiegel, das Kätzchen". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 23. August 2025.