Oh! Calcutta!
Entertainment mit Musik
Buch von Mike Allen, John Dankworth, Jules Feiffer, Dan Greenburg, Allen Jones, John Lennon, Jacques Levy, David Newman, Robert Benton, Joe Orton, Sam Shepard, Clovis Troille, Sherman Yellen und Kenneth Tynan
Musik und Gesangstexte von "The Open Window" [Peter Schickele, Robert Dennis, Stanley Walden]
Deutsche Übersetzung von Igor Gerson
Inszenierung
Deutschsprachige Erstaufführung: 9. März 1971
Operettenhaus, Hamburg, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Harry Grube
- Inszenierung: Clifford Williams
- Co-Regie: Michael Wedeking
- Kostüme: Freda Blackwood
- Bühnenbild: Farah
- Original-Choreographie: Margo Sappington
- Choreographie der deutschen Inszenierung: Noel Tovey
Besetzung (ohne Rollenbezeichnung):
- Jarg Beucker
- Marco Fehrs
- Angela Funke
- Willem Fricke
- Gery Müller
- Wofgang Reinhardt
- Ellen Reno
- Petra Schroeder
- Werner Schulenberg
- Krista Stadler
- Peter Voss
- Cathrine Warfields
Premierenchronik
UA | UA | 17. Juni 1969 | EdenTheater, New York |
GB | EA | 27. Juli 1970 | Roundhouse Theatre, London |
D | Dspr. EA | 9. März 1971 | Operettenhaus, Hamburg |
Inhaltsangabe
"Kenneth Tynan [...] bestellte bei hochangesehenen Autoren Beiträge zum Thema "Die Suche nach dem Glück durch Sex". [...] Auftraggeber Tynan kochte die literarischen Pikanterien zu einem Liebesmahl aus Revue, Musical und Kabarett zusammen."
(aus dem Programmheft zur deutschsprachigen Erstaufführung, Hamburg, 1971, Redaktion: Siegfried M. Pistorius))
Kritiken
"Kein bloßer Striptease stand zu erwarten: »Oh! Calcutta!«, die Sexualrevue mit dem indisch verballhornten französischen Leitmotiv »Was für ein Hintern« (Oh! Quel cul t'as), erreichte im gebührlichen Zwei-Jahres-Abstand nach dem New Yorker Start deutschen Boden, vorgepriesen als der letzte Heuler der Theater-Befreiung.
Ihr Urheber ist schließlich Kenneth Tynan, Englands einst progressivster Theaterpublizist, und er darf sich rühmen, seinen szenischen Schweinkram von so exquisiten Zulieferern wie dem Beatle Lennon, dem Pop-Artisten Allen Jones, den »Bonnie and Clyde«-Autoren Newman und Benton und dem New Yorker Satiriker Jules Feiffer zu haben.
Für eine verfeinerte Darstellung bürgt überdies in Hamburg (wie schon letztes Jahr In London) Clifford Williams, einer der gesalbten Shakespeare-Interpreten Englands. Dafür und für die gesamte deutsche Verpackung der Sache -- etwa die Projektoren mit Libido-Bildern und die vielen Kostüme, die ausgezogen werden -- gab der Operetten-Kaufmann Collien zuversichtlich 400 000 Mark aus, ziemlich genau die Kosten der New Yorker Inszenierung.
[...] Außer gelegentlicher Enthüllung hat es kaum etwas zu bieten. Es ist der nackte Dilettantismus: eine theatralische, bis zur letzten Blinddarm-Narbe ausgeleuchtete Freikörperkultur. Sechs Damen (davon eine schokoladenfarbig) und sechs Herren (alle weiß) fassen sich weitgehend wortlos an und unter, um erregungsfrel im milden Calcutta-Rock umeinander herum, aneinander heran und übereinander hinzugleiten."
(ohne Namen): Sünde hinterm Paravant. In: Der Spiegel, 14. März 1971, aufgerufen www.spiegel.de, 9. April 2021.
"Im übrigen besteht das Stück aus Szenen pornografischen Inhalts, die weniger parodiert als karikiert werden: etwas Front-Theater-Schmiere. Fanny Hill ist im Vergleich dazu das Geschöpf eines großen Dichters, und wenn Beckett wirklich mitgewirkt haben sollte, hat er nichts als einen Beckett-Kalauer zuwege gebracht. Alles zusammen ist eher dürftig als derb, eher ordinär als obszön, eher Provinzposse als Parodie.
Die Inszenierung, durch soviel Nacktheit wohlmöglich frustiert, wirkte schwächer als eine perfektionierte Nummern-Show an der Großen Freiheit im gleichen Viertel von St. Pauli: steif, phantasielos, langweilig."
Manfred Sack: Provinz-Pornografie. "Oh! Calcutta!" auf St. Pauli. In: Die Zeit, 12. März 1971, Heft 11/1971, aufgerufen www.zeit.de, 9. April 2021)
Medien / Publikationen
Video-Aufnahmen
- "Oh! Calcutta!". Revelation Films, 1972 (1xDVD).
Literatur
- Ulrike Traub: Theater der Nacktheit. Zum Bedeutungswandel entblößter Körper auf der Bühne ab 1900. Bielefeld, transcript Verlag, 2010 (Kapitel 6.2., Seite 218ff.).
Kommentar
Bei der deutschsprachigen Erstaufführung fehlten die Sketche "Suite for Five Letters" (Konzeption: Stanley Walden), "Jack and Jill" (Konzeption: Leonard Melfis) und "Who: Whom" (Konzeption: Jacque Ley, Dennis Schickele und Stanley Walden). Stattdessen wurden die Szenen "Ein Butler zum Frühstück" und "Höschen" (Konzeption: Kenneth Tynan) zugefügt.
"Oh! Calcutta" gehört am Broadway zu den Top-Ten-Shows mit der längsten Laufzeit; die Uraufführungsproduktion von 1969 brachte es auf 1.314 Vorstellungen, das NY-Revival (1976- 1989) erreichte 5.852 Vorstellungen und selbst die Londoner Produktion war 3.918 mal zu sehen.
Empfohlene Zitierweise
"Oh! Calcutta!". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 11. April 2021.