Follies [Wien]
Musical
Musik und Songtexte von Stephen Sondheim
Buch von James Goldman
Deutsche Übersetzung von Martin G. Berger
Inszenierung
Österreichische Erstaufführung: 12. April 2025
Volksoper, Wien, Österreich
- Regie: Martin G. Berger
- Musikalische Leitung: Maayan Franco / Michael Papadopoulos
- Bühnenbild: Sarah-Katharina Karl
- Kostüme: Alexander Djurkov Hotter
- Choreographie: Marie-Christin Zeisset
- Lichtdesign: Alex Brok
- Sounddesign: Martin Lukesch
- Videodesign: Vincent Stefan
Besetzung:
- Sally Durant Plummer: Ruth Brauer-Kvam
- Benjamin Stone: Drew Sarich
- Phyllis Rogers Stone: Bettina Mönch
- Buddy Plummer: Peter Lesiak
- Junge Sally: Juliette Khalil
- Junger Ben: Oliver Liebl
- Junge Phyllis: Laura Magdalena Goblirsch
- Junger Buddy: Samuel Türksoy
- Carlotta Campion: Sona MacDonald
- Stella Deems: Stefanie Dietrich
- Emily Whitman: Maria Christin Zeisset
- Hattie Walker: Julia Koci
- Theodore Whitman: Robin Poell
- Solange La Fitte: Martina Dorak
- Heidi Schiller: Ulrike Steinsky
- Junge Heidi: Alexandra Flood
- Dimitri Weisman: David Wurawa
- Roscoe: Aaron-Casey Gould
- Junge Solange: Eva Zamostny
- Junge Hattie: Angelika Ratej
- Junge Carlotta: Melanie Böhm
- Junge Emily: Tara Randell
- Junge Stella: Samantha Mayer
- Ensemble: William Brsicoe-Peake / David eisinger / Liam Solbjerg / Leon de graaf / Kevin Perry / Matthew Levick / Paul Csitkovic / Danilo Aiello
Stella (Stefanie Dietrich) & Ensemble in "Follies".
Volksoper Wien; Foto Barbara Pálffy.
Premierenchronik
USA | UA | 4. April 1971 | Winter Garden Theatre, New York |
GB | EA | 21. Juli 1987 | Shaftesbury Theatre, London |
D | Dspr. EA | 27. September 1991 | Theater des Westens, Berlin |
A | EA | 12. April 2025 | Volksoper, Wien |
Sally (Juliet Khali), Ben (Drew Sarich), Sally (Ruth Brauer-Kvam) und
Ben (Oliver Liebl). Volksoper Wien; Foto: Marco Sommer.
Inhaltsangabe
"Drei Jahrzehnte, nachdem Sally und Phyllis als Showgirls in Revue-Operetten engagiert waren, besuchen sie anlässlich einer großen Wiedersehens-Gala ihr ehemaliges Theater. Der bittere Anlass für die Feier ist die baldige Schließung der Bühne. Während ihrer Zeit als Showgirls haben Sally und Phyllis auch ihre beiden Ehemänner Buddy und Ben kennengelernt, die sie nun zu dem Treffen mit ehemaligen Kolleginnen und Weggefährten begleiten. Von der einst schillernden Diva bis zum früheren Intendanten schwelgen die mehr oder weniger jung gebliebenen Gäste in Erinnerungen: nicht nur an Bühnenerfolge, sondern auch an ihren jeweiligen Lebensweg, an richtige und falsche Entscheidungen, schmerzliche Liebesverhältnisse, Abschiede und das, was vielleicht hätte sein können ... Je später der Abend, desto mehr wird die Party auch zum Schauplatz von ganz realen Beziehungsproblemen im Hier und Jetzt, denn das Wiedersehen und die Erinnerungen lassen die beiden Paare lange verdrängten Wahrheiten ins Auge blicken … Unter der penibel aufrechterhaltenen Oberfläche von Sally und Buddy, von Phyllis und Ben schlummert der Schmerz über verpasste Chancen und unerfüllte Sehnsüchte. Schließlich müssen alle vier die Weichen für ihre Zukunft stellen."
(Inhaltsangabe Volksoper Wien, 2025)
"Follies" in der Volksoper Wien; Foto Barbara Pálffy.
Kritiken
"Statt den 70er und 30er Jahren wie im Original gibt es also einen Zeitensprung um knapp 50 Jahre, dazu noch einen neuen Handlungsort mit unzähligen Anspielungen auf das Österreich von heute. Durch diese Verschiebung besteht überhaupt kein Bezug mehr zu den 'Ziegfeld Follies', die als Anregung für die Sondheim-Hommagen an Cole Porter, Kurt Weill, Jerome Kern oder Harold Arlen dienten. Auch rätselhaft: Warum haben österreichische bzw. deutsche Charaktere durchwegs amerikanische Namen?
Aber 'Follies' war immer eine Show, in der Zeit und Raum nur lose Elemente darstellten, schließlich werden die Hauptfiguren auch immer mit ihrem 30 Jahre jüngeren Ich konfrontiert. Dazu kommen geisterhafte Showgirls, die oft aus dem Nichts über die Bühne schweben. Regisseur Martin G. Berger (auch für die Übersetzung zuständig, die Songs wurden eingedeutscht) wollte offenbar durch die Änderungen noch einen draufsetzen, wobei das Buch von James Goldman über die Jahre ohnehin immer wieder abgeändert wurde. Die Basis in Wien dürfte die Londoner Fassung von 1987 sein, der Songkatalog ist aber bis auf das fehlende 'Bolero d’Amour' der aus New York.
[...] Die Besetzung? Vom Feinsten! [...] Das Ensemble könnte das jüngste der 'Follies'-Geschichte sein, sodass einige Rollen beim Zurückrechnen über 30 Jahre wohl als Kinderdarsteller auf der Bühne standen. [...] Überflüssig zu sagen: Das riesige Orchester von Michael Papadopoulos wird den Sondheim-Melodien in der Orchestrierung von Jonathan Tunick mehr als nur gerecht, Broadway-Besucher wären einen so prall gefüllten Orchestergraben gar nicht mehr gewohnt. Die Show selbst mit ihren vielen exotischen Ideen würde in den USA die Sondheim-Gemeinde wohl ziemlich spalten, während es als Österreich-Premiere keine Vergleichswerte gibt."
Bernd Freimüller: Zeit und Raum? Exotische Shownummern und viel Lokalkolorit für Sondheims Beziehungsdrama "Follies". In: musical today, o2/2025, Seite 86-87.
"Wir haben also Szenen zweier Ehen, Traumfantasien der Figuren und manch nostalgische Kopfreise. In Stephen Sondheims 'Follies' ist dieses Gemisch ein gutes Sprungbrett, um die Kontraste zwischen den Ehedisputen und den gleißenden Revuemomenten der Vergangenheit (Choreografie: Marie-Christin Zeisset) effektvoll zu gestalten. Regisseur Martin G. Berger gelingt es. Er postiert die zankenden Ehepaare gerne an der Rampe, dahinter leuchtet die alte große Zeit auf. Showmomente, in denen die jungen alter Egos herumtollen –Sally (Juliette Khalil), Phyllis (Laura Magdalena Goblirsch), Buddy (Samuel Türksoy) und Ben (Oliver Liebl) –, folgen Minidramen. Bitte reich endlich die Scheidung ein!
Mit Fortdauer des Stückes wird es zusehends chaotisch. Es treffen die alten ihre jungen Versionen. Es segelt das Stück Richtung Fantasiewelt. Surreal gerät das Geschehen, wenn die Eherealitäten beginnen, sich mit filmisch reizvoll verstärkten Traumsequenzen zu überlagern. Das Stück, welches 1971 am Broadway herauskam und einige Tony-Awards abräumte, ist neben einem in Tiefenschichten der Charaktere vordringenden Musical aber auch eine nach und nach etwas konstruiert wirkende Nummernrevue. Dank der tollen Leistungen und des eleganten Wechsels der Atmosphären fällt dies nicht sonderlich ins Gewicht.
Und: Dass als fiktiver Spielort die Volksoper anno 2055 gewählt wurde, ist weniger beeindruckend als etwa die kurzen fulminanten Soloauftritte von Sona MacDonald (als Carlotta Campion) oder Stefanie Dietrich (als Stella Deems). Das Orchester unter der Leitung von Michael Papadopoulos treibt an und schafft es, das jazzige Element der Partitur ebenso elegant und pointiert umzusetzen wie die nostalgisch-lyrischen Aspekte."
Ljubiša Tošić: "Follies" an der Volksoper als Abrissparty eines Theaters. Mit Stephen Sondheims "Follies" zeigt die Wiener Volksoper, dass Musical psychologische Feinheiten mit Revueglanz verbinden kann. In: Der Standard, 13.4.2025.
"Das frühe Werk 'Follies' des Broadway-Gottes Stephen Sondheim hat seine Tücken. Es ist im Kern letztlich eine Nummernrevue, die mal mehr, mal weniger von Spielpassagen zusammengehalten wird. Ein hybrides Stück, das sich nie ganz zwischen Handlung und Abfolge von Musikhommagen entscheiden kann. An der Wiener Volksoper hat Regisseur Martin G. Berger den Stier nun bei den Hörnern gepackt und das Beste aus der Vorlage herausgeholt - nicht zuletzt dank eines guten Ensembles.
[...] Berger nutzt dabei den am Haus schon etablierten selbstreferenziellen Kniff, die Volksoper auch im Libretto als Spielort zu etablieren. Konkret treffen sich die Künstlerinnen der Volksoper 30 Jahre später im Jahr 2055 - kurz bevor nach einem Krieg und einem diktatorischen Regime das Haus am Gürtel einem Parkhaus weichen wird. Zur Abrissparty kommt Sally Durant dann folgerichtig aus Bregenz - ein Name, über den man sich im Ländle wohl wundern würde, während Kollegin Mitzi Huber als Solange ihre eigene Parfumlinie bei Bipa hat. Die Anbindung an den Spielort funktioniert über weite Strecken.
Die meisten Charaktere bekommen Einzelnummern, die wiederum von den als Hommage an den Broadwaystil der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehaltenen Ensemblestücken markant abweichen. Den von Sondheim hier bewusst gesetzten Kontrast versucht der 37-jährige Berger lange Zeit auch gar nicht zu verwischen, im Gegenteil. Er positioniert die gealterten Figuren von heute vor dem Vorhang, während die bisweilen gesetzten Rückblenden mit jüngeren Alter Egos dahinter stattfinden.
[...] Im Verlauf des Abends durchbricht Berger die Gazewand aber, lässt die gealterten Ichs mit ihren jüngeren Alter Egos direkt interagieren, öffnet die starre Struktur. Letztlich gibt es so doch noch größer choreografierte Passagen, wird die Bühnenrückwand zur Großleinwand, die mit dem Bühnengeschehen in den Dialog tritt. Und am Ende ist der Spuk vorbei, die Geister aus der Flasche. Man kehrt in das alte Leben zurück, vielleicht nicht geläutert, aber gereift.
Dennoch bleibt das Stück 'Follies' in sich ein etwas aseptischer Versuchsaufbau, eine bewusst künstliche Versuchsanordnung, eine Variation über das Altern und das Akzeptieren der Zeit. Ein Abgesang und eine Hommage zugleich, die letztlich auch als konzertanter Abend funktionieren würde. Und eine der raren Möglichkeiten, im Wien des Jahres 2025 Stepptanz auf einer Bühne zu sehen."
Martin Fichter-Wöß: "Follies" an der Volksoper: Altern zum Klang des Stepptanzes . In: Salzburger Nachrichten / APA, 13. April 2025.
Medien / Publikationen
Audio-Aufnahmen
- "Follies". Original Broadway Cast , 1971. Angel ZDM 7 64666 2 0. (1xCD).
- "Follies" Original London Cast, 1987. First Night ENCORE-3. (2xCD).
- "Follies in Concert". Concert Cast, 1985. RCA RCD2 7128 (2xCD).
- "Follies" Paper Mill Cast, 1998. TVT Soundtrax 1030. (2xCD).
- "Follies" Broadway Cast, 2011. PS Classics PS-1105. (2xCD).
- "Follies" London Cast, 2018. PLG UK Classics 9362490095 (1xCD).
DVD / Video
- "Follies in Concert". Documentary, 1985. Sony BMG 82876825799. (1xDVD).
- "Follies". Opera de Toulon. Opera Toulon BAC103. (2xDVD).
Literatur
- "Finishing the Hat & Look, I Made a Hat". Knopf; 34744th Edition, 2011. :
Kommentar
2019 schrieb Martin G. Berger die neue Übersetzung, die noch im selben Jahr in der Dresdner Staatsoperette zur Aufführung kam und auch die Grundlage der ÖEA war.
Empfohlene Zitierweise
"Follies [Wien]". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 27. Juni 2025.