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Cabaret

Musical

 

Musik von John Kander 
Buch von Joe Masteroff
Gesangstexte von Fred Ebb
Nach dem Stück "Ich bin eine Kamera" von John van Druten und Erzählungen von Christopher Isherwood
Deutsche Fassung von Robert Gilbert

 

 

Inszenierung


DDR-Erstaufführung: 18. Januar 1976 
Staatsoperette, Dresden, DDR

  • Musikalische Leitung: Manfred Grafe
  • Regie: Rudolf Schraps
  • Ausstattung: Siegfried Rennert
  • Choreographie: Mola Hillebron
  • Chöre: Siegfried Fischer

 

Besetzung:  

  • Sally Bowles: Maja-Rosewith Riemer / Helga Schulze-Margraf
  • Conférencier: Jürgen Muck / Gottfried Neumann
  • Clifford Bradshaw: Reinhold Stövesand
  • Ernst Ludwig: Heinz Zimmer
  • Fräulein Schneider: Charlotte Schönborn
  • Herr Schultz: Werner Heintzsch / Fritz Steiner
  • Fräulein Kost: Jutta Richter / Maria Rolle
  • Telefongirl: Sabine Richter
  • Zollbeamter: Hermann Ramoth
  • Zwei Matrosen: Karl-Horst Bohm, Klaus Hersten
  • Tanzgirls im Kit-Kat-Klub: Dagmar Domsgen, Ildiko Halasy, Annerose Lange, Annemarie Meyer, Gisela Redanz, Brigitte Richter, Annerose Schlese, Tatjana Streibig, Hannelore Weichert

 

 

 

Premierenchronik

USA UA 20. November 1966 Broadhurst Theatre, New York
GB EA 28. Februar 1968  Palace Theatre, London
A Dspr. EA 14. November 1970 Theater an der Wien, Wien
D EA 28. Februar 1971 Bühnen der Hansestadt Lübeck
DDR EA 18. Januar 1976 Staatsoperette, Dresden
CH EA 3. Oktober 1981 Opernhaus, Zürich

 

 

 

Inhaltsangabe


Der amerikanische Schriftsteller Clifford Bradshaw reist 1929 nach Berlin, um einen Roman zu schreiben. Er taucht ins wilde Nachtleben ein, lernt die Cabaretsängerin Sally kennen, die nach kurzer Zeit bei ihm einzieht, und erfährt auch immer mehr von der politischen Situation Ende der 1920er Jahre. Seine Zimmervermieterin Fräulein Schneider, eine ältere alleinstehende Frau, erhält einen Heiratsantrag von Herrn Schultz, der einen Gemüseladen betreibt. Freudig nimmt sie den Antrag an. Ihre Verlobunsgfeier wird indes gestört, weil Herr Schultz ein Jude ist, dem man die Scheiben seines Ladens einwirft. Ein Bekannter von Fräulein Schneider, ein Nazi, warnt sie zudem vor der Heirat, da man nach der Machtübernahme die Juden nicht länger im Lande dulden würde. Erschrocken löst sie die Verlobung wieder auf. Auch Bradshaw hat inzwischen so viel von der politischen Situation mitbekommen, dass er alarmiert entscheidet, wieder heimzufahren Doch Sally will ihm nicht in die USA folgen, auch wenn sie schwanger ist. Sie will lieber weiter im bunten Berliner Nachtleben, im Kit-Kat-Klub, herumtoben und ihre Karriere als Sängerin voranbringen. So lässt sie ihr Kind abtreiben und trennt sich von ihrem Freund, der noch im Zug nach Frankreich beginnt, seinen Roman zu schreiben.

(Wolfgang Jansen)

 

 

Kritiken

 

"´Wenn sie [Lotte Lenya] auf die Bühne kommt, bringt sie die ganze Zeit mit´: Gemeint ist in diesem Stück die Zeit zwischen dem 31. Dezember 1929 bis etwa Mitte Mai 1930 in Berlin. Dort lebte zu eben dieser Zeit der englische Schriftsteller Christopher Isherwood (geb. 1904) als Sprachlehrer und Journalist. Er schrieb über das Berlin der dreißiger Jahre zwei Bände Erzählungen: ´Mr. Norris changes trains´ (1935) und ´Goodby to Berlin´ (1939). In Meyers Taschenlexikon ´Englische Literatur´, das 1965 in Leipzig erschienen ist, steht zu lesen: ´In seinen Romanen gelangte Isherwood kaum über die Darstellung von Eindrücken, Episoden und Oberflächenerscheinungen hinaus.´

Den gleichen Vorwurf muß man dem Amerikaner John van Druten machen, als er auf Isherwoods Bücher zurückgriff und Teile daraus unter dem Titel ´I am a camera´ dramatisierte. Die gleichen Fehler übernahm Joe Masteroff, als er einige dieser Berliner Szenen, Stimmungsbilder und Momentaufnahmen lose aneinanderreihte, notdürftig zusammengeleimt durch marktschreierische Texte eines zwitterhaften Conférenciers. [...]

Das Sentimentalische wird durch die Musik stellenweise ins Unerträgliche gesteigert. Wer noch nicht wissen wollte, was eine Schnulze ist, der kann von John Kander viel lernen! Es ist Musik aus zweiter Hand, Massenware, Konfektion. Nach der Erstaufführung in deutscher Übersetzung schrieb der Wiener Musikkritiker Gerhard Brunner: ´Was sich daran Musik nennt, ist so dünnblütig, daß sich selbst in den Papierkörben von Kurt Weill tausendmal Substanzvolleres gefunden hätte.´ Dem ist nichts hinzuzufügen. [...]

Eine ausgefeilte menschliche Studie bot Fritz Steiner als sympatisch sächselnder Herr Schultz vom Nollendorf-Platz. Wir hörten ein paar ´Zwischentöne´, die man so leicht nicht wieder vergessen wird."

Gottfried Schmiedel: Faschistische Vergangenheit aus Broadway-Sicht, DDR-Erstaufführung "Cabaret". In: Sächsisches Tageblatt, 21. Januar 1976.

 

"In Dresden siegte ein Theater-Ensemble über die Mutmaßung, mit Bühnenmitteln dargebracht, könne das Musical ´Cabaret´ nur ein Schatten der faszinierenden Film-Version sein. Gesiegt haben die Ursprünglichkeit, Unmittelbarkeit, Miterlebbarkeit des künstlerischen Produzierens auf der Bühne, angefeuert und auf eine glänzende Höhe geführt von der Phantasie und präzisen Arbeit des Regisseurs Rudolf Schraps, des Ausstatters Siegfried Rennert und der Choreographin Mola Hillebron.

Selbstverständlich kann das Theatererlebnis nicht die spezielle kamera-, szenen-, blenden- und schnitt-technische Perfektion des Filmkunstwerks bieten. Doch kann diese Bühnen-Inszenierung, können auch die Dresdner Darsteller mit überaus bemerkenswerten Talenten so bestehen, daß sich der Zuschauer mit neuer Bewunderung das Werk erschließt. [...]

Nicht minder von Klasse ist als Conférencier der sängerisch und tänzerisch alle Register ziehende Gottfried Neumann. Die Windigkeit des Mannes, seine Bestürzung über die SA-Schlägeraktion in seinem Etablissement, sein Liebeslied und -tanz mit dem Affenmädchen, sein Transvestitenauftritt im Mädchenballett, das vor den Augen der SA-Männer die militärische Gewalt parodiert, sein Anreißertum - alles sitzt perfekt und pointiert. [...]

Als der dauerhafte, mit Bravos durchsetzte Beifallsorkan den Künstlern dankte, stand fest, daß das Genre Musical an diesem Abend gesiegt hat."

Horst Heizenröther: Sieg eines Musicals, DDR-Erstaufführung von "Cabaret" in Dresden. In: Nationalzeitung Berlin, 2. Februar 1976.

 

"Und dann - dann beginnt jene Entwicklung, die zum Jahre 1933 führt, zur Judenvernichtung, zur Verkrüppelung ´deutscher Gemütlichkeit´, zur Aggression. Der Amerikaner kann gehen und geht ´mit einem blauen Auge´, aber die anderen bleiben, ahnungslos, was auf sie zukommt... Fast zu ernst für ein Musical - sollte man meinen. Aber die amerikanischen Autoren, die das Werk in der Zeit der beginnenden Vietnamkrise 1966 in New York herausbrachten, vermochten aus dem Wechsel von Schein und Sein soviel Doppelbödigkeit hervorzuzaubern, den Lebenssituationen soviel an effektvoller Aussage und Komik abzugewinnen, daß eben - nicht zuletzt durch eine natürlich aus der Handlung hervorwachsende und eingängige Musik - erheiternde Belehrung übertragbar wird, die zum Lächeln, aber auch zum Nachdenken zwingt. - Ein grandioses Werk, eine Musik, die weder der ´West Side Story´ noch der ´Fair Lady´ nachsteht.

[...] Sie machen die Gefahr deutlich, den Spuk, der soviel Unheil anrichten wird. Hier bleibt auch dem Conférencier das Lachen im Halse stecken.

In der BRD starb dieses amerikanische Erfolgsstück nach wenigen Aufführungen."

Friedbert Streller: "Cabaret" als zeitkritisches Kabarett, Amerikanisches Erfolgsmusical in der Staatsoperette. In: Sächsische Zeitung, 23. Januar 1976.

 

 

Medien / Publikationen


Audio-Aufnahmen

  • "Cabaret". Original Broadway Cast, 1966. Studio-Einspielung, Columbia Records USA, KOL 6640. (Vinyl, 1xLP)
  • "Cabaret". Original London Cast, 1968, Studio-Einspielung, CBS 70039. (Vinyl, 1xLP).
  • "Cabaret". Originalaufnahme der deutschsprachigen Erstaufführung am Theater an der Wien, Studio-Einspielung 1970, Preiser Records, SPR 3220. (Vinyl, 1xLP).
  • "Cabaret". Original Film Soundtrack Recording, 1972. MCA Records 201 309-320. (Vinyl, 1xLP).
  • "Cabaret". Original Düsseldorf Cast, 1999. Freetime Music FM 1003. (1xCD).
  • "Cabaret". Original Bremen Cast, 2002. Bremer TheaTER. (1xCD).

 

DVD / Video

  • "Cabaret". Verfilmung von Bob Fosse, USA 1972. EuroVideo 29624. (1xDVD).

 

Literatur

  • Christopher Isherwood: Leb´ wohl, Berlin - Ein Roman in Episoden. Aus dem Englischen von Susanne Rademacher, Frankfurt/M. u.a.: Ullstein 1979.
  • Keith Garebian: The making of Cabaret. The Great Broadway Musicals, Toronto u.a.: Mosaic Press 1999.
  • Andreas Schwarze: Metropole des Vergnügens, Musikalisches Volkstheater in Dresden von 1844 bis heute, Die Geschichten hinter dem Lachen. Hrsg.: Staatsoperette Dresden, Dresden: Saxophon 2016.

 

 

Kommentar

 

Das Schauspiel "Ich bin eine Kamera" von John van Druten erschien nicht auf dem deutschen Buchmarkt. Die deutschsprachige Erstaufführung erfolgte 1952 im Schloßparktheater Berlin.

Nach der Verfilmung des Musicals 1972 mit einer stark veränderten Handlung wurden mehrere Songs der Sally Bowles aus dem Film in das Bühnenwerk übertragen.

 

 

Empfohlene Zitierweise

 
"Cabaret" [Dresden]. In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 9. August 2022.