Benzin
Musical
Musik von Mike Hille
Songtexte von Frank Beuth
Text von Philip Stölzl
Inszenierung
Uraufführung: 4. Juni 1994
Weite Theater, Berlin, Bundesrepublik Deutschland
- Regie: Tobias Veit
- Bühne: Philip Stölzl
- Kostüme: Agnes Sioda
Besetzung:
- Udo, der jüngere Sohn: Torsten Gesser
- Rex, der ältere Sohn:Wieland Jagodzinski
- Vater: Stephan Hellmann
- seine junge Frau Christiane: Diana Neumann
- Die Feen: Anne Swoboda / Irene Winter
Premierenchronik
D | UA | 4. Juni 1994 | Weite Theater, Berlin |
Inhaltsangabe
"Man darf Udo zu ihm sagen und seine 'panikmäßige' Hose bewundern: aus dem Westen und mit echten weißen Streifen. Aber auch für 20.000 Mark West will er die Tankstelle 'an der alten Reichsautobahn' nicht verkaufen, der Udo, weil die doch eigentlich seinem Vater gehört. Der hatte sich vor Jahren in den Westen abgesetzt und vorher noch seinen ältesten Sohn für tot erklärt. Jetzt kommen beide wieder, der entlassene Stasi-Spitzel und der Vater mit seiner neuen Frau. Die ging früher mal auf den Strich, verliebt sich bald in Udo und bekommt ein Kind von ihm.
Der Stasi-Bruder wird vom Vater erschossen, und auch Udo bekommt bei einem Streit einen der neuen Zapfhähne auf den Kopf geschlagen. Denn mittlerweile ist alles neu und gelb-lila ausgestattet, das haben die beiden Feen gemacht, die den Laden als 'West-Tussis' erst kaufen wollten und das Geschehen auch ansonsten moderierend oder kommentierend begleiten."
Petra Kohse: "Benzin": Ost-West-Tankstellen-Musical im Weiten Theater uraufgeführt. In: taz, 9. Juni 1994.
Kritiken
"Was da im ehemaligen Dienstleistungswürfel des Weiten Theaters inmitten Hellersdorfer Plattenbauten als Musical uraufgeführt wurde, bewegt sich zwischen Stufe fünf und sechs der nach oben offenen Kolportageskala: Zerrüttet Tankstellenpächterfamilie im Wendestreß, Liebeskitsch zwischen Sohnemann mit Mutterkomplex und Rinnsteinmädchen, die vom leiblichen Vater mißbraucht wurde und zu ihrem Gatten jetzt Papi sagt - ein Hauen und Stechen, Feilschen und Balzen, und ein Traum nach dem anderen platzt.
[...] Das könnte eine recht ernst gemeinte Klamotte sein, die Bühnenbildner Philip Stölzl da verfaßt hat, und streckenweise ist sie das auch tatsächlich - dann aber mit dräuendem Betroffenheitsunterton. Als musikalischen Kontrapunkt hat Mike Hille allerdings so eine Art persiflierendes Hitparadenpotpourri darübergestülpt, durchsetzt mit ein bißchen Lindenberg. Das schmalzt und röhrt und wird dann ebenso gesungen, und die Minol-Pirole schawummen im Background, daß es zuweilen wirkliche eine Freude ist, die Zielrichtung meist aber zusätzlich verwischt."
Petra Kohse: "Benzin": Ost-West-Tankstellen-Musical im Weiten Theater uraufgeführt. In: taz, 9. Juni 1994.
"'Benzin' ist eine schön überzeichnete Bearbeitung der gegenwärtigen Probleme zwischen Ost und West. Es ist das etwas andere Musical, statt Glimmer und Glamour, setzen die Macher auf eine ernsthafte und gründlich bearbeitete Story, die bei aller Dramatik ihre Leichtigkeit zu behalten bemüht ist. Die Musik changiert zwischen Hiphop und Rockmusik. Dem Komponisten Hille ist es hervorragend gelungen, den einzelnen Figuren eine typische musikalische Ausdrucksweis beizugeben. Die Story bleibt bei aller Strenge, offen. Selbst der Absturz am Ende, der die Helden mit ihren brennenden Problemen scheinbar in eine Katastrophe führt, überläßt die Bewertung dem Zuschauer: griechische Tragödie oder Happy-End?"
Udo Tietz: Benzin. Popcollage und griechische Tragödie im Weiten Theater. In: Im Blickpunkt, Berlin, 7/1994.
"Bis zur Pause reiht sich in Tobias Veit's Musical-Inszenierung 'Benzin', die insbesondere ein jugendliches Publikum ansprechen will, ein Einheitsproblem an Einheitsproblem - kurz unterbrochen von Traumsequenzen, die mittels Songs aus verschiedenen Szenen der Popkultur vom sonstigen Faktenspiel abgehoben werden. Ohne den leidigen Gut-Böse, Ossi-und-Wessi-Schnee aufbieten zu müssen, werden einzelne Charaktere vorgestellt, die jeweils für sich ein Stück unmittelbarer deutscher Geschichte darstellen. Dabei überhäufen sich die Probleme fast, sind eher Statements als theatralische Handlung. Das ist wichtig. Zweifellos. Es frischt die Rolle des Theaters als Sachverwalter von Zeitgeschehen, als parteiergreifendes Medium auf und erleichtert ungeübten Kunsthospitanten den Zugang und weckt Interesse, weil es eigene Probleme unabgehoben behandelt. Trotzdem hätte sich der Wiedererkennungseffekt straffen lassen."
Mario Stumpfe: Tankstelle mit brennenden Problemen. "Benzin" - ein reizvolles, geradliniges Musical im Weiten Theater in Hellersdorf. In: nd, neues deutschland, 15. Juni 1994.
Kommentar
Verwendet werden u.a. die Songs "Mädchen aus Ost-Berlin" und "Bis ans Ende der Welt" von Udo Lindenberg.
Empfohlene Zitierweise
"Benzin". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 22. September 2025.